Neustart nach dem Lockdown?

Restrukturierungsrahmen und Eigenverwaltung brauchen eine gute Vorbereitung

Mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22.12.2020 sind neue Möglichkeiten für die Restrukturierung von Unternehmen geschaffen worden aber auch bestehende Instrumente angepasst worden. Im Wesentlichen beinhaltet das SanInsFoG Änderungen zur vorläufigen Eigenverwaltung sowie das neue Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz – StaRUG). Diese beiden wesentlichen Neuerungen in der Restrukturierungspraxis stehen Unternehmen offen, die frühzeitig eine eintretende Unternehmenskrise antizipieren. Dies setzt zum einen voraus, dass notwendige Instrumentarien zur Risikofrüherkennung in Unternehmen etabliert sind und zum anderen, dass die Unternehmer sich frühzeitig des Restrukturierungsbedarfs bewusst sind. Mit Blick auf einen Neustart der Geschäftstätigkeit nach dem aktuellen Lockdown werden effektive Restrukturierungsinstrumente eine entscheidende Rolle für eine nachhaltige Unternehmensfortführung spielen.

1.Vorbereitung StaRUG

Die Möglichkeiten des StaRUG bestehen darin, mit den beteiligten Gläubigern einen Vergleich außerhalb eines Insolvenzverfahrens herbeizuführen. Die Besonderheit ist hierbei, dass dieser Vergleich auch zwangsweise mittels einer gerichtlichen Bestätigung durchgesetzt werden kann. Des Weiteren stehen dem zu restrukturierenden Unternehmen weitere Möglichkeiten offen, um den Geschäftsbetrieb uneingeschränkt fortzuführen sowie die begonnene Restrukturierung mittels des sogenannten Restrukturierungsplans durchzuführen.

Das Kernelement des Stabilisierung- und Restrukturierungsrahmens bildet der Restrukturierungsplan.

1.1 Überblick der Inhalte des Restrukturierungsplans

Der Restrukturierungsplan gliedert sich in den darstellenden und in den gestaltenden Teil. Hierbei ist insbesondere der darstellende Teil mit nicht unwesentlichem Arbeitsaufwand verbunden. In dem darstellenden Teil des Restrukturierungsplans sollen gem. § 6 Abs. 1 StaRUG die Grundlagen und Auswirkungen des Restrukturierungsplans dargestellt werden, sodass die Planbetroffenen über den Plan entscheiden können. Um diese Entscheidung treffen zu können, sind die Krisenursachen und geeignete Maßnahmen zur Krisenbewältigung darzustellen. Des Weiteren ist eine Unternehmensplanung beizufügen, aus der sich ergibt, wie die Befriedigungsaussicht der einzelnen Gläubigergruppen bei Annahme des Restrukturierungsplans und ohne die Annahme des Restrukturierungsplans prognostiziert wird.

1.2 Konkrete Informationen und Angaben

Aus dem § 6 StaRUG ergibt sich sehr abstrakt, welche Bestandteile dieser Plan beinhalten muss. Diese Angaben werden konkretisiert durch die Anlage zu § 5 Abs. 2 StaRUG. Hieraus ergeben sich weitreichende Informationen und Angaben, die dem Restrukturierungsplan beigefügt werden müssen. Es handelt sich hierbei um

  • eine Übersicht der Vermögenswerte inkl. der aktuellen Zeitwerte der Vermögenswerte,
  • eine Übersicht der Verbindlichkeiten inkl. der einzelnen bestehenden Sicherheiten,
  • eine Beschreibung der wirtschaftlichen Situation und die Position der Arbeitnehmer,
  • eine Beschreibung der Ursachen und des Umfangs der wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Schuldners,
  • eine integrierte Unternehmensplanung, die sowohl eine Ergebnis-, Liquiditäts-, und Bilanzplanung vorsieht und
  • eine Vergleichsrechnung für die Fälle der Annahme und der Ablehnung des Restrukturierungsplans.

1.3 Vergleichsrechnung als Kernelement für den Restrukturierungsplan

Um die geforderte Vergleichsrechnung erstellen zu können, sind zuvor umfangreiche Analysen der Vergangenheit durchzuführen und es ist zu überprüfen, wie sich einzelne Restrukturierungsmaßnahmen zukünftig auf die Planung auswirken. Sämtliche historischen Parameter der Prognose müssen überprüft werden, ob diese mit Blick auf die mikro- und makroökonomischen Gegebenheiten angepasst werden müssen. Die Übernahme von historischen Annahmen wird insbesondere aufgrund der Corona-Pandemie in den wenigsten Fällen belastbar sein. Schlussendlich müssen sämtliche Angaben des Restrukturierungsplan untereinander schlüssig sein, damit im Falle einer gerichtlichen Planbestätigung ein fachkundiger Dritter die Auswirkungen der getroffenen Annahmen des Restrukturierungsplans nachvollziehen kann.

1.4 Restrukturierungsplan vergleichbar mit Sanierungskonzept (IDW S6)

Es zeigt sich aus den Anforderungen für den Restrukturierungsplan, dass der Restrukturierungsplan an die bestehenden Inhalte eines Sanierungskonzepts im Sinne des IDW S6 angelehnt ist. Auch wenn in dem Restrukturierungsplan teilweise Anforderungen verkürzt werden können, sind Kernbestandteile eines Sanierungskonzepts zu erfüllen. Dabei verursachen erfahrungsgemäß die Analyse und die Umsetzung der Restrukturierungsmaßnahmen sowie die Überprüfung dieser Effekte in der meistens noch zu erstellenden Unternehmensplanung den größten Arbeitsaufwand.

1.5 Verfügbarkeit der Informationen gibt Zeitplan vor

Der soeben beschriebene Umfang ist entsprechend zeitlich zu planen. Damit die Anforderungen an den Restrukturierungsplan eingehalten werden können, sind eine Vielzahl von Informationen aus dem Unternehmen bereitzustellen. Mit welchem tatsächlichen zeitlichen Umfang ein Restrukturierungsplan erstellt werden kann, ist im Wesentlichen von der Verfügbarkeit der Daten abhängig. So sind aktuellste Daten notwendig, um benötige Auswertungen zu den wirtschaftlichen Entwicklungen darzustellen. Des Weiteren ist eine entsprechende Detailtiefe erforderlich, um konkrete Aussagen zu den Vermögensgegenständen sowie den Verbindlichkeiten und deren Sicherung machen zu können. Aus § 31 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG ergibt sich zwar, dass für den Beginn des Restrukturierungsvorhabens noch kein „finaler“ Entwurf des Restrukturierungsplans vorgelegt werden muss, sondern ein Konzept für die Restrukturierung ausreichend sein kann, jedoch ist hier zu erwarten, dass für dieses Konzept schon ein wesentlicher Teil der Informationen und Unterlagen vorhanden sein muss.

2. Vorläufige Eigenverwaltung

Neben der Einführung des Restrukturierungsrahmen (StaRUG) wurden die Anforderungen für die Sanierung im Rahmen der Eigenverwaltung erhöht. Zuvor waren die notwendigen Angaben in einem Antrag für die vorläufige Eigenverwaltung sehr oberflächlich gehalten.

2.1 Zusätzliche Anforderungen

Mit dem SanInsFoG wurden die Anforderungen erheblich ausgeweitet und konkretisiert. Hier stellt insbesondere die Eigenverwaltungsplanung gem. § 270a InsO eine entscheidende Hürde dar, ob die Eigenverwaltung angeordnet werden kann. So sind insbesondere die folgenden Informationen und Unterlagen dem Antrag der vorläufigen Eigenverwaltung beizufügen:

  • Finanzplan über 6 Monate inkl. Finanzierungsquellen,
  • Konzept zur Erreichung des Ziels der Eigenverwaltung / Restrukturierung,
  • Darstellung des Verhandlungsstands mit den Stakeholdern,
  • Vorkehrungen zur Sicherstellung der insolvenzrechtlichen Pflichten,
  • Kostenvergleich Eigenverwaltungs- und Regelverfahren.

2.2 Aufwand für den Antrag der vorläufigen Eigenverwaltung

Bei den zuvor genannten Anforderungen handelt es sich auf den ersten Blick um keine komplexen Anforderungen. Jedoch zeigt die Praxis, dass nur bei wenigen Unternehmen eine mittelfristige Liquiditäts- bzw. Finanzplanung erstellt und laufend fortgeschrieben wird. Muss eine Liquiditätsplanung noch aufgesetzt werden, ist dies mit zeitlichem Aufwand verbunden, da anhand der Ergebnisplanung die Liquiditätsplanung abgeleitet werden muss. Dies setzt wiederum voraus, dass eine Ergebnisplanung vorliegt, die um insolvenzspezifische Planungsparameter angepasst werden muss. Erst dann kann die erforderliche Finanzplanung für den Antrag der vorläufigen Eigenverwaltung finalisiert werden.

In welcher Detailtiefe das Konzept zur Erreichung des Ziels der Eigenverwaltung – in der Regel die Sanierung des Unternehmens – dargestellt werden muss, ist bisher nicht klar definiert. Ob an dieser Stelle eine Übersicht der begonnenen und geplanten Restrukturierungsmaßnahmen ausreicht oder ob eine stark reduzierte Darstellung eines Sanierungskonzept gem. IDW S6 den Anforderungen genügt, bleibt abzuwarten. Es ist jedoch anzunehmen, dass konkrete Maßnahmen, die nicht lediglich die Restrukturierung der Verbindlichkeitenstruktur vorsehen, dargestellt und geplant werden müssen.

Mit Blick auf die Anforderung eines Kostenvergleichs zwischen Eigenverwaltungs- und Regelverfahren kann dies auch mit nicht unwesentlichem Aufwand einhergehen. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass sich die Vergütung des (vorläufigem) Insolvenzverwalter nach der sogenannten „freien“ Insolvenzmasse bemisst. Dies bedeutet, dass die sämtliche Vermögensgegenstände identifiziert und bewertet werden müssen. Im nachfolgenden Schritt sind die Sicherheiten an diesen Vermögensgegenständen zu prüfen. Hierbei wird die Identifikation von Eigentumsvorbehaltsrechten von Lieferanten mit zusätzlichem Aufwand verbunden sein. Erst dann kann die Vergütung eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters geschätzt werden und somit den Kosten der Eigenverwaltung gegenübergestellt werden.

3. Frühzeitige Identifikation der Krise als zentrale Aufgabe

Sowohl das neue StaRUG als auch die Eigenverwaltung stellen effektive Instrumente für die Sanierung von Unternehmen dar, die den Restrukturierungsprozess selbstbestimmt durchführen wollen. Es zeigt sich, dass es unabdingbar ist, frühzeitig eine Unternehmenskrise zu identifizieren. Nur so können die Vorbereitungen für einen Restrukturierungsplan oder die vorläufige Eigenverwaltung rechtzeitig begonnen werden.

Durch verschiedene Hilfepakete der öffentlichen Hand konnten sich Unternehmen nahezu unbegrenzt mit „Coronakrediten“ versorgen, um die gegenwärtigen Umsatzeinbrüche zu kompensieren. Diese Hilfskredite werden zum größten Teil anfangs tilgungsfrei gewährt. Jedoch ist fraglich, ob mit Beginn der Tilgung den Unternehmen schon wieder ausreichende Liquidität zur Verfügung steht, um den Kapitaldienst zu erbringen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, ob für die Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit die finanziellen Mittel für die Vorfinanzierung der Umsätze ausreichen werden.

Alleine durch die Konstellation einer hohen Verschuldung und des Liquiditätsbedarfs für einen Neustart, sind Unternehmer mit entsprechendem Weitblick gefragt, die frühzeitig den Weg für eine Restrukturierung mittels des Restrukturierungsrahmens oder der Eigenverwaltung überprüfen und vorbereiten.

 

Zum Autor:

Christian Kielmann, LL.M. ist als Wirtschaftsjurist in der MÖNIG Wirtschaftskanzlei in Münster tätig und unterstützt Unternehmen in der außergerichtlichen Sanierung sowie in der Restrukturierung im Rahmen von Eigenverwaltungs- und Regelinsolvenzverfahren. Nach dem Studium war er mehrere Jahre bei einer Big-Four Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Prüfung und Beratung von Banken tätig. Im Jahr 2016 wechselte Kielmann zur MÖNIG Wirtschaftskanzlei und ist seit 2019 zertifizierter Restrukturierungs- und Sanierungsberater (IfUS).