1. Sachverhalt
Der Sicherungsgeber (SG) führt bei der beklagten Sparkasse (Spk.) ein Girokonto als Pfändungsschutzkonto, für welches ihm kein Kreditrahmen eingeräumt ist. Dieses Konto wies einen Sollsaldo von 3,50 EUR auf. Weitere zu sichernde Forderungen der Spk. gegenüber dem SG bestanden nicht. Der SG ist Eigentümer einer Eigentumswohnung in dessen Grundbuch zugunsten der Spk. Grundschulden eingetragen waren. Bei der dazugehörigen Zweckerklärung war vereinbart, dass die Grundschulden zur Sicherheit für alle bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Spk. gegen den SG aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung dienen (weite Zweckerklärung). Weiter war vereinbart, dass sobald die Spk. wegen aller ihrer Ansprüche gegen den Kreditnehmer befriedigt ist, sie – auf entsprechendes Verlangen – verpflichtet ist, ihre Rechte aus den Grundschulden freizugeben. Sie war schon vorher auf Verlangen zur Freigabe verpflichtet, soweit sie die Grundschulden nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Kreditsicherung zur Sicherung ihrer Ansprüche nicht mehr benötigt. Ergänzend galten die AGB der Spk.. Diese enthalten wiederum die Verpflichtung der Spk. – auf Verlangen – der Freigabe von Sicherheiten nach ihrer Wahl, soweit der realisierbare Wert aller Sicherheiten den Gesamtbetrag aller Forderungen der Sparkasse nicht nur vorübergehend um mehr als 10 % übersteigt.
Der SG hat gegenüber dem klagenden Land Steuerschulden i.H.v. über 40 T€. Für das Finanzamt sind nachrangig daraus Zwangssicherungshypotheken eingetragen worden. Wegen der Steuerschulden des SGs erließ das Finanzamt gegenüber dem SG und der Spk. mehrere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, mit denen u.a. Ansprüche des SGs auf Rückgewähr oder Teilrückgewähr der zugunsten der Spk. eingetragenen Grundschulden sowie das Recht des SGs auf Zustimmung zur Löschung aus § 1183 BGB gepfändet wurden. Das klagende Land verlangte von der Spk. die Löschung der derzeit nicht valutierenden Grundschulden zu bewilligen.
Das LG Bielefeld (Urt. v. 08.06.2020 – 6 O 541/19) hat der Klage stattgegeben. Das OLG Hamm (Urt. v. 31.05.2021 – I-5 U 71/20) hat die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Spk. beantragt, verfolgte das klagende Land seinen Antrag weiter. Das BGH hat mit Urteil vom 02.06.2022 (Az. V ZR 132/21) dem Land keinen Anspruch auf Freigabe der Grundsicherheit zugesprochen und damit die Entscheidung des OLG Hamm bestätigt.
2. Aus den Gründen des BGH (Leitsätze – verkürzt)
- Die Pfändung und Einziehung des Anspruchs auf Rückgewähr einer Grundschuld umfasst grundsätzlich das Recht des Vollstreckungsgläubigers, im Wege der Vollstreckung die Löschung der Grundschuld zu verlangen.
- Ist mit der Sicherungszweckerklärung eine Revalutierung der Grundschuld erlaubt, kann die Rückgewähr erst dann verlangt werden, wenn eine solche Revalutierung endgültig nicht mehr in Betracht kommt; das ist (erst) der Fall, wenn die Geschäftsbeziehung endet oder wenn die Sicherungsvereinbarung geändert oder gekündigt wurde.
- Auch der Anspruch des SGs auf Teilfreigabe einer Sicherheit setzt den Wegfall des Sicherungszwecks voraus. Das ist bei einer weiten Sicherungsvereinbarung (erst) der Fall, wenn die Geschäftsbeziehung zwischen SG und Sicherungsnehmer beendet oder wenn die Sicherungsvereinbarung geändert oder gekündigt wurde.
- Im Verlangen auf Rückgewähr einer nicht oder nicht voll valutierten Grundschuld liegt regelmäßig die konkludente Kündigung einer weiten Sicherungsabrede.
- Der Vollstreckungsgläubiger, der einen Anspruch des SGs auf Rückgewähr einer Grundschuld pfändet, ist nicht berechtigt die Sicherungsvereinbarung oder die Geschäftsbeziehung zum Sicherungsnehmer zu kündigen; die Pfändung des Rückgewähranspruchs verschafft ihm nicht das Kündigungsrecht.
3. Erläuterung der Entscheidungsgründe des BGH
Unverzichtbare Voraussetzung für einen Rückgewähranspruch ist, dass die aufschiebende Bedingung, unter der der gepfändete Rückgewähranspruch steht, eingetreten ist. Erst ab Bedingungseintritt muss der Sicherungsnehmer, hier die Spk., dem Pfändungsgläubiger die Grundschuld zurückgewähren. Daran gemessen besteht mangels Bedingungseintritts kein Anspruch des SG´s auf Rückgewähr der Grundschulden. Nach der formularmäßigen Zweckerklärung war hier ein weiter Sicherungszweck vereinbart.
Diese weite Sicherungsvereinbarung gestattet die Neuvalutierung der zugunsten der Spk. bestellten Grundpfandrechte. Die Pfändung und Einziehung des Rückgewähranspruchs durch das klagende Land steht einer nachträglichen Neuvalutierung der Grundschulden im Rahmen der bestehenden Sicherungsvereinbarung nicht entgegen. Denn der Pfändungsgläubiger hat den Anspruch auf Rückgewähr nur in der Form gepfändet, wie er nach der Sicherungsvereinbarung besteht Der Pfändungsgläubiger kann ebenso wenig wie der Zessionar des Rückgewähranspruchs verlangen, dass der SG den Rückgewähranspruch fällig werden lässt.
Eine Beendigung der Geschäftsbeziehung oder der Sicherungsvereinbarung kann das klagende Land auch nicht durch die Geltendmachung des Rückgewähranspruchs herbeiführen. Der Vollstreckungsgläubiger, der einen Anspruch des SGs auf Rückgewähr einer Grundschuld pfändet, ist nicht berechtigt, die Sicherungsvereinbarung oder die Geschäftsbeziehung zum Sicherungsnehmer zu kündigen; die Pfändung des Rückgewähranspruchs verschafft ihm nicht das Kündigungsrecht.
Ein Rückgewähranspruch des SGs ergibt sich auch nicht aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bekl., denn aus diesen folgen keine weitergehenden Ansprüche als aus der Sicherungsvereinbarung.
4. Praktische Hinweise am Rande des Urteils:
Dem Gläubiger einer nachrangigen Hypothek/Grundschuld kann ein Löschungsanspruch nach §§ 1179a oder 1179b BGB im Falle der (nicht ursprünglich als Eigentümerhypothek/-grundschuld eingetragen) Vereinigung von Grundschuldeigentümer und SG zustehen.
Sollte sich im Zwangsversteigerungsverfahren eine Zuteilung auf den nicht mehr valutierenden Teil einer eingetragenen Hypothek/ Grundschuld ergeben, könnte und sollte geprüft werden, ob dieser Auszahlungsanspruch gepfändet werden kann.
Zur Autorin:
Simone Emming, LL.M. oec ist als Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und Wirtschaftsmediatorin in der MÖNIG Wirtschaftskanzlei in Münster tätig. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die Betreuung und Lösungserarbeitung vor entstehenden und während bestehender Konflikte(n) zwischen Kreditinstituten/ Investoren und ihren Kunden bzw. Gläubigern und Schuldnern, auch im Zusammenspiel mit Insolvenzverwaltern. Die Autorin ist als gelernte Bankkauffrau sowohl im klassischen Bank- und Kapitalmarktrecht wie auch im Immobilienrecht firm. Sie hat über 14 Jahre als Partnerin eine auf das Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Anwaltskanzlei geführt. Zuvor war sie Syndikus-Anwältin bei einem Spezialkreditinstitut und Geschäftsführerin eines Inkassodienstleisters mit dem Schwerpunkt Management von Bankforderungen.