
1. „Gelber Schein“ adieu
Erkrankte ein Arbeitnehmer, hatte er seinem Arbeitgeber in der Regel binnen drei Tagen eine sog. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform vorzulegen. Seit dem 01.01.2023 ist dieser „gelbe Schein“ jedoch Geschichte. Seitdem können alle Daten zur Arbeitsunfähigkeit nur noch auf elektronischem Weg bei der betreffenden Krankenkasse vom Arbeitgeber abgerufen werden. Ausnahmen bestehen noch z.B. für Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aus dem Ausland, Privatärzte und Privatversicherte.
1.1. Anzeigepflicht
Auch wenn der „gelbe Schein“ weitestgehend verschwunden ist, so bleibt unverändert die Pflicht des Arbeitnehmers, seinen Arbeitgeber unverzüglich über die Arbeitsunfähigkeit und die voraussichtliche Dauer zu informieren, sei es persönlich oder durch Dritte. Dabei braucht grundsätzlich keine Auskunft darüber erteilt zu werden, welche Art der Erkrankung vorliegt oder welche Ursache dahintersteht. Lediglich ausnahmsweise ist der Arbeitnehmer zu Erläuterungen verpflichtet; beispielsweise dann, wenn ein Infektionsrisiko bzw. ein Risiko für Kollegen besteht (Covid-19 etc.).
1.2. Nachweispflicht
Neben der Anzeige der Arbeitsunfähigkeit hatte der Arbeitnehmer bisher die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform vorzulegen, um seine Arbeitsunfähigkeit nachzuweisen. Mit der Abschaffung des „gelben Scheins“ hat nun der Arbeitgeber die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei der Krankenkasse des Arbeitnehmers abzurufen.
2. Keine Entgeltfortzahlung trotz digitalem Krankenschein
Nach § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit in Folge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Den Beweis seiner Arbeitsunfähigkeit erbrachte er durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Seit dem Urteil des Bundearbeitsgerichts vom 08.09.2021 (Az. 5 AZR 149/21) wird es dem Arbeitgeber jedoch erleichtert, die bisher scheinbar unerschütterliche Beweiskraft des „gelben Scheins“ zu entkräften. Dafür muss letztlich der Arbeitgeber hinreichende Indizien vortragen, die Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen. Derartige Zweifel können sich nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts etwa daraus ergeben, dass eine am Tag der Eigenkündigung des Arbeitnehmers ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung taggenau die nach der Kündigung noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdeckt. In dem konkreten Fall wurde dem Arbeitnehmer ein Anspruch Entgeltfortzahlung versagt.
3. Fazit
Doch welche Indizien genügen im Einzelfall, um den Beweiswert des „gelben Scheins“ zu erschüttern? Wenn trifft wann welche Beweislast? Welche Konsequenzen können aus einer vorgetäuschten oder nicht hinreichend nachgewiesen Arbeitsunfähigkeit folgen (Kündigung, Strafbarkeit, Schadensersatz)? Dies ist stets anhand des konkreten Einzelfalls zu beurteilen. Gerne sind wir Ihnen bei Fragen rund um dieses und auch andere arbeitsrechtliche Themen behilflich.
Zur Autorin:
Katrin Hoffmann ist als Rechtsanwältin in der MÖNIG Wirtschaftskanzlei in Münster tätig und unterstützt Firmen, Selbstständige und Privatpersonen in sämtlichen Fragen des Arbeitsrechts, von der Kündigung, der Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis bis zur Gestaltung von Arbeits- oder Aufhebungsverträgen. Daneben gehören Fragestellung rund um den Betriebsrat und das Insolvenzarbeitsrecht zu ihren Schwerpunkten. Außerdem führt sie seit dem Jahr 2016 den Titel Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht.