Das Landgericht Hamburg hat mit Urteil vom 14.04.2023 (Az. 326 O 123/20) einer Steuerberatungsgesellschaft Schadensersatz zugesprochen, nachdem sich der angebliche Erwerb von Miteigentum an einer Wohnung als unerlaubtes Bankgeschäft herausstellte.
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Steuerberatungsgesellschaft. Sie hatte auf Empfehlung der Beklagten einen sog. Kauf-, Miet- und Rückkaufvertrag über einen Miteigentumsanteil an einer Wohnung abgeschlossen. Das Investment sollte als Rückdeckung für eine (neue) betriebliche Altersvorsorge zugunsten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klägerin dienen. Danach sollte die Klägerin einen Miteigentumsanteil an einer Wohnung zu einem Kaufpreis von 20.800,00 € zzgl. Agio von 800,00 € erwerben und im Gegenzug eine jährliche Miete von 9 % bezogen auf den Gesamtkaufpreis (= 1.800,00 €) erhalten. Eine Beklagte (E.) übernahm gemäß § 7 des Vertrags die vertragliche Mithaftung. Zudem regelte der Vertrag in § 8 einen Rangrücktritt der Ansprüche der Klägerin auf Verzinsung und Zahlung des Rückkaufpreises.
Im Frühjahr 2018 machte die Klägerin gegenüber den Beklagten Schadensersatzansprüche geltend. Sie war der Ansicht, dass die Beklagte ihr aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG hafte. Sie habe schließlich keinen „Miteigentumsanteil“ an der Wohnung erworben, sondern ihrem „Vertragspartner“ ein (unbesichertes) Nachrangdarlehen i.H.d. vereinbarten „Kaufpreises“ gewährt. Für ein solches „Bank-“ bzw. „Einlagengeschäft“ i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nummer 1 KWG hätten die Beklagten aber keine Erlaubnis besessen.
Vereinbart war zudem ein sog. qualifizierten Rangrücktritt in den AGB einer der Beklagten in dem es wie folgt hieß:
„[…] dass eine Zahlung ‚unter dem Vorbehalt steht, dass ein Insolvenzeröffnungsgrund nicht entsteht‘ bzw. dass Zahlungsansprüche ausgeschlossen sind, „solange und soweit sie einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin herbeiführen.“
Entscheidung des Gerichts:
Das Landgericht hat der Klage weitestgehend stattgegeben.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 20.800,00 € Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Rechte aus dem streitgegenständlichen Vertrag gem. §§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 S. 1, § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1. Bei dem „Kauf-, Miet- und Rückkaufvertrag“ über einen Miteigentumsanteil handelte es sich um ein Einlagengeschäft i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 KWG, das ohne die nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis betrieben worden war. Hierzu hat die Beklagte Beihilfe geleistet gem. § 830 Abs. 2 BGB i.V.m. § 27 StGB.
Tatsächlich konnte die Klägerin nach der Vertragskonstruktion niemals Miteigentümerin an der Wohnung werden. Dies folgte schon daraus, dass die erforderliche notarielle Beurkundung des Vertrags nicht vorlag (§ 311b BGB). Hinzu kam, dass die Klägerin keine Möglichkeit hatte, über ihren Anteil wie ein Eigentümer sachenrechtlich zu verfügen. Vielmehr hatte sie sich direkt zum „Rückverkauf und zur Rückübereignung“ des Anteils entweder mit Ablauf der vierjährigen Vertragslaufzeit oder mit Wirkung des vorzeitigen Rückerwerbs verpflichtet. Bei wirtschaftlicher Betrachtung war Vertragszweck damit nicht der Erwerb eines sachenrechtlichen Miteigentumsanteils, sondern die Zurverfügungstellung der investierten Summe. Damit lagen alle Elemente eines typischen Darlehensvertrags vor.
Das Kapital der Klägerin war auch unbedingt rückzahlbar i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG. Denn nach BGH-Rechtsprechung ist die Vereinbarung eines sog. qualifizierten Rangrücktritts in AGB gegenüber einem Verbraucher intransparent und deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn es darin heißt, dass eine Zahlung „unter dem Vorbehalt steht, dass ein Insolvenzeröffnungsgrund nicht entsteht“ bzw. dass Zahlungsansprüche ausgeschlossen sind, „solange und soweit sie einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin herbeiführen“.
Das Gericht hat hier ausdrücklich festgehalten, dass die Grundsätze zum Verständlichkeits- und Transparenzgebot in AGB auch im Verkehr zwischen Unternehmen gelten, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass Unternehmer die wirtschaftliche Tragweite komplexerer Regeln und Geschäfte oftmals leichter durchschauen können als Verbraucher. Hierbei sind die Einzelumstände zu würdigen. Und vorliegend hatte sich die Klägerin – vergleichbar zur Beratungs-/Vermittlungssituation gegenüber einem Verbraucher – zum Thema Altersvorsorge beraten lassen.
Die Beklagte E. hatte letztlich die gesamtschuldnerische Mithaft für die Erfüllung aller Zahlungsansprüche der Anleger gegen ihren Vertragspartner übernommen und sich zur weiteren Absicherung des „Mietzahlungsanspruchs“ verpflichtet, 3 % des Gesamtkaufpreises auf ein Anderkonto eines Hamburger Notars einzuzahlen. Damit hatte sie einen ganz wesentlichen Beitrag dafür gesetzt, Vertrauen bei den Anlegern in den Abschluss des beworbenen Investments zu wecken.
Zur Autorin:
Simone Emming, LL.M. oec. ist als Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht und Wirtschaftsmediatorin in der MÖNIG Wirtschaftskanzlei in Münster tätig. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit ist die Betreuung und Lösungserarbeitung vor entstehenden und während bestehender Konflikte(n) zwischen Kreditinstituten/ Investoren und ihren Kunden bzw. Gläubigern und Schuldnern, auch im Zusammenspiel mit Insolvenzverwaltern. Die Autorin ist als gelernte Bankkauffrau sowohl im klassischen Bank- und Kapitalmarktrecht wie auch im Immobilienrecht firm. Sie hat über 14 Jahre als Partnerin eine auf das Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Anwaltskanzlei geführt. Zuvor war sie Syndikus-Anwältin bei einem Spezialkreditinstitut und Geschäftsführerin eines Inkassodienstleisters mit dem Schwerpunkt Management von Bankforderungen.