Die Insolvenzverwalter der P & R – Gesellschaften, Dr. Michael Jaffé und Dr. Philip Heinke, verschicken derzeit in großem Stil Mahnbescheide an Anleger, die bis Ende 2018 Auszahlungen von den nunmehr insolventen Gesellschaften erhalten haben. Zur Begründung wird angegeben, sämtliche Leistungen, welche die Anleger erhalten haben, seien anfechtbar erlangt worden mit der Konsequenz, dass diese Zahlungen an die Insolvenzmasse zurückzuzahlen sind.
Das Anfechtungsrecht in der Insolvenzordnung (§§ 129-143 InsO) regelt, dass Zahlungen, die ein Gläubiger von einem Schuldner erhalten hat, unter bestimmten Voraussetzungen zurückgezahlt werden müssen, wenn der Schuldner später in Zahlungsschwierigkeiten gerät und ein Insolvenzverfahren eröffnet wird. Damit soll verhindert werden, dass diejenigen Gläubiger, die „kurz vor Schluss“ noch Geld bekommen, dies zu Lasten der übrigen Gläubiger erhalten, welche dann ggfls. leer ausgehen.
Dabei gibt es verschiedene sog. Anfechtungstatbestände, die sich insbesondere dadurch unterscheiden, welchen Zeitraum diese Ansprüche umfassen (3 Monate bis max. 10 Jahre vor Insolvenzantragstellung) und welche Kenntnis der Gläubiger von den sich zum Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung schon abzeichnenden finanziellen Problemen des Schuldners hatte. Wer mit dem Schuldner „gemeinsame Sache“ macht, muss ggfls. bis zu 10 Jahren damit rechnen, die erhaltenen Zahlungen erstatten zu müssen.
Im Fall der P&R-Container wird argumentiert, die gewährten Leistungen seien unentgeltlich erfolgt: da die Container in vielen Fällen tatsächlich nicht existiert haben, stand den Zahlungen in Wirklichkeit keine Gegenleistung gegenüber, was diese unentgeltlich mache. Dafür gilt gem. § 134 InsO eine Frist von vier Jahren vor Insolvenzeröffnung; diese ist im Jahr 2018 erfolgt. Für diese Ansprüche droht zum Ende des Jahres die Verjährung, was die Mahnbescheide erklärt: ohne Vereinbarung mit dem Verwalter oder Mahnbescheid sind etwaige Ansprüche des Verwalters am Ende des Jahres dahin.
Die Bewertung derartiger Ansprüche in der Rechtsprechung ist uneinheitlich. Das OLG München (Beschluss vom 20. Mai 2021, Az. 5 U 747/20) hat im März die Berufung gegen ein Urteil, mit dem eine Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen wurde, mangels Erfolgsaussichten zurückgewiesen. Maßgeblich sei, dass die abgeschlossenen Verträge durchaus eine Gegenleistung vorgesehen hätten. Dass die Insolvenzschuldnerin die Verpflichtungen nicht erfüllt habe, sei unerheblich, es komme darauf an, was die Parteien vereinbart hätten. Dies gelte auch für die Mietzinszahlungen, auch hier liege keine Unentgeltlichkeit, sondern eine Gegenleistung für die gezahlte Einlage vor.
Den letzten Punkt hat das OLG Hamm (Urteil vom 15.06.2021, Az. 27 U 105/20) anders gesehen: jedenfalls in den Fällen, in denen die Anleger kein Eigentumszertifikat erhalten haben, liege eine unentgeltliche Leistung vor, weil mangels Zertifikat die Leistungen nicht auf konkrete Container bezogen seien und diese daher als unentgeltlich im Sinne des § 134 InsO zu qualifizieren sind.
Ob und wann der BGH darüber entscheidet, ist noch unklar. Zwar ist eine Revision von beiden Oberlandesgerichten nicht zugelassen worden. Die Revision kann aber in bestimmten Fällen erzwungen werden – ein Grund dafür ist eine uneinheitliche Rechtsprechung verschiedener Oberlandesgerichte, die hier vorliegt.
Gegen den Mahnbescheid sollte unverzüglich Widerspruch eingelegt werden, denn dies ist nur innerhalb einer Frist von 2 Wochen ab dessen Zustellung möglich. Nach Ablauf der Frist ergeht anderenfalls ein Vollstreckungsbescheid, dieser hat dieselben Wirkungen wie ein Versäumnisurteil, insbesondere kann daraus vorläufig vollstreckt werden! Dies gilt unabhängig davon, wie sich die Pilotverfahren weiterentwickeln – einmal festgestellte Ansprüche bleiben bestehen, auch wenn der BGH später feststellen sollte, dass das OLG München richtig lag und die Ansprüche damit in Wirklichkeit nie bestanden haben.
Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung, welche Rechtsmittel gegen den Mahnbescheid oder auch einen etwaigen Vollstreckungsbescheid bestehen.
Rechtsanwalt Sebastian Voitzsch ist Partner der MÖNIG Wirtschaftskanzlei und schwerpunktmäßig in der Prozessführung an Landes- und Oberlandesgerichten sowie im Arbeitsrecht tätig.