- Herausfordernde Zeiten für Unternehmen
Seit Monaten befinden sich Unternehmen in einer andauernden Krisenstimmung: Fachkräftemangel, Lieferkettenprobleme, steigende Rohstoff- und Energiekosten, Kaufzurückhaltung der Verbraucher und nun die Diskussion über die Rückkehr zum 19 % Umsatzsteuersatz in der Gastronomie. Dass sich diese Aspekte auf die Zahlungsfähigkeit von Unternehmen auswirken, zeigen auch die inzwischen wieder steigenden Insolvenzzahlen, die während der Corona-Krise aufgrund staatlicher Lenkungsmaßnahmen stark rückläufig waren. Laut vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes (Destatis) hat sich die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen – verglichen mit dem Vorjahreszeitraum – nach einem Plus von 23,8 Prozent im Juli im August wiederum um 13,8 Prozent erhöht. Erfasst sind nur die Verfahren, in denen bereits eine Eröffnungsentscheidung getroffen ist; die Antragsverfahren, die häufig drei Monate vorher bereits anhängig sind, sind noch nicht berücksichtigt.
Welche Möglichkeiten – aber auch Pflichten der Geschäftsleitung – gibt es nun, wenn das eigene Unternehmen von der Krise betroffen ist?
- Restrukturierung – aber bitte keine Insolvenz
Häufig scheuen sich Unternehmen vor dem „bösen I-Wort“. Es gilt, dass Stigma einer Insolvenz in jedem Fall zu vermeiden. Mit dem Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) hat der Gesetzgeber nun ein weiteres vorinsolvenzliches Instrument der Sanierung zur Verfügung gestellt: den Restrukturierungsplan. Die Geschäftsführung verhandelt hier unterstützt durch Sanierungsexperten mit einzelnen Gläubigern über deren Sanierungsbeiträge. Es ist möglich, dieses Verfahren als gerichtliches Verfahren durchzuführen. Dies ist auch erforderlich, sollte eine konsensuale Lösung nicht gefunden werden und dann eine Abstimmung und Planbestätigung erfolgen müssen. Auch wenn die Aussetzung von Vollstreckungsmaßnahmen erfolgen soll, ist das Gericht zu beteiligen. Obwohl der Restrukturierungsplan sehr individuelle Absprachen ermöglicht, sind darin Personalmaßnahmen und die einseitige Beendigung von Verträgen – anders als im Insolvenzverfahren – nicht möglich. Auch gibt es im außerinsolvenzlichen Restrukturierungsverfahren keinen Zugang zum Insolvenzgeld. Der Restrukturierungsplan eignet sich insbesondere für eine finanzielle Restrukturierung, also den klassischen Schuldenschnitt.
- Sanierung mittels eines Insolvenzverfahrens
Sind weitere, insbesondere leistungswirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen nötig, ist häufig der Weg über das Insolvenzverfahren die einzige Lösung. Liegt ein Insolvenzgrund bereits vor, d.h. ist Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung schon eingetreten, besteht bei haftungsbeschränkten Gesellschaften wie etwa der GmbH oder GmbH & Co KG eine Antragspflicht. Kommt die Geschäftsleitung dieser nicht nach, trifft sie die persönliche Haftung für veranlasste Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife – und diese summieren sich im laufenden Betrieb sehr rasch.
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen nicht in der Lage ist, die fälligen und in den kommenden drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten zu mindestens 90 % aus der aktuellen und in den kommenden drei Wochen zufließenden Liquidität und den offenen Kreditlinien zu begleichen.
Von Überschuldung spricht man, wenn bei einem Vermögensvergleich die Passiva die Aktiva unter Berücksichtigung stiller Reserven übersteigen. Ist dies der Fall, muss nur dann kein Insolvenzantrag gestellt werden, wenn eine positive Fortbestehensprognose besteht. Dies ist zu bejahen, wenn die Fortführung des Unternehmens in den kommenden zwölf Monaten überwiegend wahrscheinlich ist. Dies ist wiederum eine Liquiditätsfrage, d.h. ist das Unternehmen durchfinanziert.
Neben dem Imageschaden fürchten viele Geschäftsleiter bei einem Insolvenzverfahren den Kontrollverlust. Da hilft das Instrument der Eigenverwaltung – eine Spielart im Insolvenzverfahren, bei der die Geschäftsleitung weiterhin unterstützt durch Insolvenzexperten das Unternehmen kontrolliert. Ein gerichtlich bestellter (vorläufiger) Sachwalter überwacht dabei gleich einem Schiedsrichter, dass die Gläubigerinteressen auch bei dieser Art der Abwicklung gewahrt werden. Da für eine Sanierung in der Eigenverwaltung eine umfangreiche Planung für die kommenden Monate der Betriebsfortführung und deren Finanzierbarkeit dem Antrag beigefügt werden müssen, ist eine Beratung im frühen Krisenstadium anzuraten.
Das Schutzschirmverfahren ist eine Form der vorläufigen Eigenverwaltung. Hier wird der Insolvenzantrag bei nur drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt mit dem Ziel, das Unternehmen in wenigen Monaten mit Hilfe eines Insolvenzplans zu sanieren.
Regelmäßig gibt es sowohl in der Eigenverwaltung als auch im Regelverfahren zwei Arten der Sanierung: durch einen Insolvenzplan, also einen Vergleich mit den Gläubigern, oder durch die übertragende Sanierung, den Verkauf der Assets an einen anderen Rechtsträger. Da bei einem Insolvenzplan der Rechtsträger erhalten bleibt, hat dieser Vorteile. Wichtige Verträge bleiben mit den ursprünglichen Konditionen bestehen, öffentliche Ausschreibungen müssen nicht erneut durchgeführt werden, Listungen bestehen fort.
- Fazit
Je früher sich das auf die Krise zuschlitternde Unternehmen mit den Sanierungs- und Restrukturierungsmöglichkeiten vertraut macht, desto größer ist der Werkzeugkasten, der zur Krisenbewältigung zur Verfügung steht und umso weitreichender die noch bestehenden Handlungsmöglichkeiten. Liegt ein Insolvenzgrund bereits vor, bleibt – auch zur Vermeidung der Haftung der Unternehmensverantwortlichen – nur die sofortige Insolvenzantragstellung.
Haben Sie Fragen zum Thema Sanierung, Restrukturierung oder Insolvenzantragstellung? Sprechen Sie uns gerne an.
Zur Autorin:
Marion Gutheil ist Fachanwältin für Insolvenz- und Sanierungsrecht und Mediatorin. Sie leitet die Standorte in Düsseldorf, Hagen und Großwallstadt. Neben der Arbeit als Insolvenzverwalterin und Sachwalterin berät sie Unternehmen in der Eigenverwaltung und begleitet diese als Generalbevollmächtigte im Verfahren. Wirtschaftsrechtliche Themen rund um Sanierung, Restrukturierung und Insolvenz sowie die juristische Beratung beim Erwerb von Krisenunternehmen gehören zu ihren Schwerpunkten.
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